Ansteckende Mäuse im verhungernden Schloßzug

PC Tip Nr. 1, IDG Verlag, 1995

Ansteckende Mäuse fangen Händler im verhungernden Schloßzug ein


Uwe Fischer-Wickenburg


Computerbesitzer unterscheiden normalerweise zwei Arten von Software: Anwendungsprogramme, also solche, mit denen man arbeitet, und Spiele, also Software, die Spaß macht. Mitunter sind die Grenzen allerdings nur schwer zu ziehen, und nur der vierstellige Betrag auf der Rechnung erinnert schmerzhaft daran, daß das Programm offiziell in die Kategorie ernstzunehmender Software fällt. Eines wurde mir bei diesem Test sehr bald klar: Die Logik der EDV und die Logik der Sprachwissenschaften folgen verschiedenen Gesetzen.
Das Programm, dieses gemeine Vetrauen zu moderner Computertechnologiekasse, in den Grund, warum Firma zitterte, war eine Übersetzungssoftware. Oder, wie es im Original hieß, ehe ich den PC den Satz ins Englische und dann, zu Kontrollzwecken, wieder rückübersetzen ließ: Das Programm, das meinen Glauben in die moderne Computertechnik bis in die Grundfeste erschütterte, war eine Übersetzungssoftware.
Zwar wies das Handbuch darauf hin, daß es nur eine Rohübersetzung liefere, aber soviel Rohheit hätte ich meinem ansonsten so friedfertigen Computer doch nicht zugetraut: „Der Jäger schoß einen rohen Anfänger,“ wollte mir das Programm weismachen. Ursprünglich handelte es sich um einen Frischling, der sich da in einen „raw beginner“ verwandelt hatte.
Auch mit den Fahrgästen der Zahnradbahn zur Innsbrucker Hungerburg kannte der PC kein Erbarmen: „Mausefallenhändler in der Hungerburgbahn“ wurden auf wundersame Weise zu „catching mice trap dealer in the starving castle train“. In der Rückübersetzung las sich das dann so: „Ansteckende Mäuse fangen Händler im verhungernden Schloßzug ein.“
Mitunter zeigte sich das Programm aber auch von seiner humanen Seite. Meine Aufforderung „Legen Sie den Sheriff um!“ schwächte es in „Put on the sheriff!“ und weiter in „Nehmen sie den Sheriff auf den Arm!“ ab.
Well, derartige Phrasen werden heutzutage ohnehin eher selten benötigt. Ein wesentliches Kapitel von Sprachführern ist im Normalfall kulinarischen Dingen gewidmet, aber dafür hat ein technisches Gerät wie ein PC eher wenig Verständnis: Der Weinheber verwandelte sich in eine schreiende Pipette („Crying pipette“), und aus der Topfentorte wurde über den Umweg „repoting wrong“ schließlich „Das Wiedereintopfen des Unrechts.“
Manchmal schien dann doch die Logik durchzuschlagen: Wer sich darüber aufregt, daß der Rechner den „Hasenbau“ mit „rabbit making“ und folglich „Kaninchenherstellung“ übersetzt, möge doch einmal darüber nachdenken., wo die kleinen Karnickel gezeugt werden…
Über die Entstehung von Musikinstrumenten wußte mein PC dagegen nicht so genau Bescheid: Aus dem „Geigenbauer“ wurde ein „violin farmer“, zu Deutsch ein „Geigenlandwirt“.
Na gut, das Testprogramm dient laut Anleitung nicht als Lexikon für einzelne Begriffe, sondern zur Übersetzung kompletter Sätze. Also nocheinmal: Der Geigenbauer hob einen Hasenbau aus. The violin farmer raised a rabbit making out. Der Geigenlandwirt hob ein machendes Kaninchen an.
Und wenn wir schon beim Thema sind: Da der Hersteller von diesem Programm produziert, wollen normalerweise ziemlich vernünftige Dinge wir er dies schlüpfte zu verzeihen und zu verstecken seinen Namen hier.
Uwe Angler Wickenburg (Uwe Fischer-Wickenburg)
Anmerkung der Redaktion: Da der Hersteller dieses Programmes normalerweise recht vernünftige Dinge produziert, wollen wir ihm diesen Ausrutscher verzeihen und seinen Namen hier verschweigen.