Kein Leben ohne meine Silberbüchse

DER STANDARD, Donnerstag, 18. Juni 1998, Seite 51

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Durch den Wilden Westen, mit einem Laptop treu zur Seite

Kein Leben ohne meine Silberbüchse

In den unendlichen Weiten der Vereinigten Staaten ist der Laptop Navigationshilfe, Reiseführer, Fotolabor und Reiseschreibmaschine in einem. Uwe Fischer-Wickenburg aus St. Elmo, Colorado.

St. Elmo. Vor ein paar Jahrzehnten eine Boom-Town im Herzen der Rocky Mountains, ist es heute eine fast vergessene Geisterstadt mitten in den tiefen Wäldern Nordamerikas. Längst wurden die Geleise der Eisenbahn, die entlang des Chalk Creeks durch so romantisch klingende Fleckchen wie den Grizzly Gulch direkt in das Stadtzentrum führten, abgetragen. Nur wenige Häuser stehen noch, wo sich früher Bergarbeiter, schwere Burschen und leichte Mädchen tummelten, wartet heute nur noch eine kleine Armee von Streifenhörnchen auf gelegentliche Besucher, die bereit sind, ihren Proviant mit den niedlichen Nagern zu teilen.

Mit dem kleinen Laptop am Schoß komme ich mir hier fast ein wenig fehl am Platz vor, wie ein Fremdkörper aus einer anderen Zeit, der die Ruhe und Beschaulichkeit dieses kleinen, verträumten Örtchens aus ihrem Gleichgewicht stoßen will. Aber die Natur läßt sich ohnedies nicht unterkriegen. Ein paar achtlose Momente, und schon sitzt eine Streifenhörnchenfamilie mitten auf der Tastatur des Computers, als wäre er ein ebenso selbstverständlicher Bestandteil der Natur wie der alte Bretterverschlag, der vor vielen, vielen Jahren einmal ein Schuppen, eine Hütte, oder gar ein Haus gewesen sein dürfte.

Ohne den Computer hätte ich St. Elmo, dieses Juwel der Rockies, wohl nie gefunden. Auf den üblichen Straßenkarten endet die Straße mit der Nummer 162 bei den heißen Quellen von Mt. Princeton, das Papier verschweigt, daß man auf dem früheren Bahndamm noch viele Meilen weiter in das Gelände vordringen kann.

Straßenatlas

Der PC aber wußte es. Immerhin habe ich vor meiner Abreise den gesamten US-Straßenatlas von deLorme auf meinen digitalen Reisebegleiter überspielt. Der Libretto 100CT von Toshiba, der mir seit Beginn der Reise durch den amerikanischen Westen treu zur Seite steht, verfügt über kein CD-Laufwerk, sodaß ich beide CD-ROMs auf die interne Festplatte kopieren mußte. Natürlich hätte ich auch ein externes Laufwerk anschließen können, aber damit hätte ich den größten Vorteils des Libretto zunichte gemacht – seine geringe Größe und das kleine Gewicht. Samt Batterie wiegt der Rechner nur knapp ein Kilogramm und findet problemlos im Rucksack zwischen meiner Fotoausrüstung Platz. Ein größeres Gerät hätte ich wohl kaum in den Urlaub mitgenommen.

Am seriellen Bus des Laptops hängt ein kleines GPS-Modul, das anhand von Satellitendaten jederzeit meinen aktuellen Standort auf dem Monitor anzeigt. Auf wenige Meter genau zeichnet der PC auf der Landkarte die aktuelle Strecke ein, vor allem in abgelegenen Gegenden, wo keine asphaltierten Straßen, sondern nur noch Dirtroads und Schotterpisten durchs Gelände führen, eine wertvolle Hilfe. Mehr als einmal half mir der Computer, an eher dubiosen Abzweigungen auf dem rechten Weg zu bleiben.

Eine leider unübersehbare Schwäche des Librettos ist allerdings dessen Stromversorgung. Mehr als eineinhalb Stunden tatsächlichen Einsatz hält die Batterie nicht durch, und in der Wildnis sind Steckdosen eher rar. Deshalb ist jeden Abend im Motel mein erster Griff der zum Stromkabel, um den meist bis zum letzten Milliampere erschöpften Akku wieder mit neuen Kräften zu versorgen. Vor allem in schwierigerem Gelände ist diese Einschränkung oft lästig: Soll ich den PC einschalten, reicht der Saft dann noch für den Rückweg?

Außer Straßenkarte und GPS-Software habe ich auf die zwei Gigabyte große Harddisk noch Hintergrundinformationen über die zu bereisenden Regionen kopiert. Der große Vorteil eines echten PCs, wie ihn der Libretto darstellt, gegenüber einem CE-Rechner besteht darin, daß auf ihm jede beliebige Windows-Software läuft. So auch der First Class Client, den ich zum Zugang zu meinen Mailboxen bei Magnet und Blackbox benötige; gerade im mobilen Einsatz ist First Class eine überlegenswerte Alternative zu den herkömmlichen Internet-Zugängen. Der Verbindungsaufbau über Modem und die Telefonsteckdose im Hotel erfolgt in wenigen Sekunden, was sich bei den horrenden Telefongebühren für Übersee-Verbindungen zum Einwahlknoten in Österreich schnell bezahlt macht.

Auf einem Journalisten-PC, und ist er noch so klein, darf eine Textverarbeitung nicht fehlen. Da der neue Libretto trotz der kleinen Bauweise zu den 480 vertikalen Bildpunkten anstatt der üblichen 640 gleich 800 Pixel in der Horizontalen darstellt, paßt eine A4-Seite unter Word in ihrer ganzen Breite auf den Schirm. Die relativ große Tastatur erlaubt ein zügiges Schreiben.

Ebenfalls mit von der Partie ist ImageFolio von Newsoft, ein kleines, aber leistungsstarkes Bildbearbeitungsprogramm, für den Fall, daß mir ein so sensationelles Motiv über den Weg läuft, daß ich es mit der nur zigarettenschachtelgroßen Digitalkamera Panasonic Coolshot einfangen und nach Hause mailen muß.

Welche Software muß auf einem PC, der in den Urlaub mitgenommen werden soll, sonst noch installiert werden? Natürlich eine Adressendatenbank, für den Fall, daß den Reisenden die Lust überkommt, die eine oder andere Ansichtskarte zu verschicken. Ein Terminkalender hilft, auch abseits der streßenden Zivilisation den zeitlichen Überblick soweit zu bewahren, daß man das Flugzeug zur Heimreise nicht versäumt.

Auf eine Tabellenkalkulation habe ich bewußt verzichtet. Schließlich soll ein Urlaub der Erholung dienen, und der Umstand, daß ein PC im Handgepäck ist, heißt noch lange nicht, daß ich beabsichtige, in den Ferien zu arbeiten – außer vielleicht am Abend im Motelzimmer einen Text wie diesen in die Tasten zu klopfen und per E-Mail in die Redaktion zu schicken.