Wenn uns die Technik zu Gombies macht

Philosophische Gedanken von der MIT-Konferenz

Mit der Erfindung des Taschenrechners haben wir sukzessive das Kopfrechnen verlernt – mir ist tatsächlich schon einmal ein Mädchen begegnet, das für eine Multiplikation mit 10 das Handy gezückt hat! Ich selbst, der früher einmal stolz auf seinen Orientierungssinn war und mit alten Landkarten und Auskünften von Einheimischen durch die Sahara gezogen ist, schalte wie selbstverständlich das Navi ein, wenn ich auch nur von Marchegg nach Wien fahre. Und es ist zu befürchten, dass sich dieser Zustand generell noch weiter verschlimmert. Dienste wie Google Now, die unseren Alltag analysieren und uns auf Schritt und Tritt mit wertvollen Tipps begleiten wollen, nehmen uns immer mehr Denkarbeit ab, sodass wir uns, wie es der Wissenschaftler John Henry Clippinger vom MIT Media Lab so treffend formulierte, zu „Gombies“ entwickeln, die früher oder später zu keinem eigenständigen Denken mehr imstande sein werden.

John Clippinger vom MIT präsentiert in Wien seine Vision der Gombies, die durch die Omnipräsenz des Internets eigenständiges Denken verlernt haben. (c) 2015 Uwe Fischer

John Henry Clippinger vom MIT präsentiert in Wien seine Vision der Gombies, die durch die Omnipräsenz des Internets eigenständiges Denken verlernt haben. (c) 2015 Uwe Fischer

Unter dem Motto „Mind, Machines, Management“ präsentierten Wissenschaftler vom weltbekannten Massachusetts Institute of Technologie, kurz MIT, auf der MIT Europe Conference 2015 in Wien ihre neuesten Forschungsergebnisse, wobei die Bereiche Robotik und Künstliche Intelligenz im Vordergrund der Vorträge standen. Dabei ging es weniger um die technischen Entwicklung an sich, als um philosophische Gedanken rund um die Technologie, sowie um die sozialen Veränderungen, die mit ihr einher gehen. So warf John Henry Clippinger unter anderem die Frage auf, wer eigentlich die Verantwortung trägt, wenn Maschinen imstande sind, selbständig Entscheidungen zu treffen und beispielsweise Verwaltungsaufgaben übernehmen.

Könnte eine künstliche Intelligenz uns besser regieren als menschliche Politiker? Wenn es rein um die Logik, Verteilung und Zuordnung von Ressourcen und das Abwägen wirtschaftlicher Entscheidungen geht, mit Sicherheit, davon bin ich überzeugt. Wenn es allerdings um Ethik und den menschlichen Faktor geht, sind mir doch ein paar parlamentarische Streithanseln, die zwar vielleicht an ihren eigenen Vorteil denken, aber damit durchaus menschliche Interessen vertreten, tausendmal lieber, als eine kalte, nüchterne Maschine, die vielleicht aus rein logischen Gründen irgendwann einmal anfängt, die Einwohnerzahl zu reduzieren…

Ok, das ist jetzt sehr Science Fiction, geb ich zu, aber kann man einer Maschine wirklich menschliche Ethik beibringen? In diesem Zusammenhang taucht immer wieder das Beispiel der selbstfahrenden Autos auf: Wenn durch irgendwelche äußeren Umstände ein Unfall unvermeidbar ist, welches Fahrzeug soll geopfert werden? Oder, noch krasser ausgedrückt, welcher Insasse darf am ehesten sterben? Wer hat das Recht, eine solche Entscheidung zu fällen?

Der MIT-Kongress hat für mich in Summe mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gebracht, aber gerade das zeigt uns, wie sensibel das Thema der fortschreitenden Automatisierung angegangen werden muss, um unter Umständen katastrophalen Folgen rechtzeitig vorzubeugen.

Und dabei geht es nicht nur um globale Entwicklungen. Jeder einzelne von uns sollte es sich zu Herzen nehmen und noch hin und wieder selbst denken, als alle Fragen des Alltags automatisch an Google und Co. zu delegieren. Nicht nur, dass wir denkfaul werden und uns nach und nach tatsächlich in Clippingers „Gombies“ verwandeln, man sollte doch nie außer Acht lassen, dass einmal eine Zeit kommen könnte, in denen uns kein Internet zur Verfügung steht – das muss gar nichts Apokalyptisches sein, da reicht schon ein etwas längerer Stromausfall, oder eine Wanderung in eine Region, in der das Handynetz noch nicht so gut ausgebaut ist, und wir sind wieder auf unsere früher angelernten Fähigkeiten aus der Zeit vor dem Internet angewiesen.

http://ilp.mit.edu/conference.jsp?confid=97&tabname=overview

http://www.media.mit.edu/