Mit dem Motorrad durch die Messehalle
Der Begriff „Virtual Reality“ wird nun endlich seiner Bedeutung gerecht. Meine ersten Ausflüge in computergenerierte Welten in den Neunzigerjahren waren noch ein mehr oder weniger hilfloses Herumtorkeln zwischen Pixel und Vektoren, der jüngste Ritt auf einem – wohlbemerkt stehenden! – Motorrad in einer Münchner Messehalle hingegen erschien mir so realistisch, dass ich bei der Annäherung an eine Kreuzung instinktiv das Gas zurück nahm und für einen Sekundenbruchteil fast ein wenig panisch wurde, als das Gefährt nicht langsamer wurde.
Eigentlich habe ich mir von dem Fujitsu Forum, das vergangene Woche in München stattfand, nur eine Hausmesse erwartet, auf der vielleicht ein paar kleine Neuigkeiten vorgestellt werden, die aber doch in erster Linie eine Marketing- und Verkaufsveranstaltung für Enterprise-Kunden sein würde. Umso freudiger war die Überraschung, als ich hier eine ganze Menge technischer Innovationen aus aller Nähe betrachten und zum Teil auch selbst ausprobieren durfte.
Der virtuelle Ritt auf dem Motorrad war für mich einer der Höhepunkt der Ausstellung, und das aus zweierlei Hinsicht: Es faszinierte nämlich nicht nur, wie wirklichkeitstreu die Darstellung in der VR-Brille erschien, sondern auch der Weg, wie die Grafikinformationen überhaupt dort hin kamen, denn der Helm war nicht etwa an eine sündhaft teure, hochprofessionelle Grafik-Workstation, sondern einen ganz normalen Laptop der eher einfacheren Kategorie angeschlossen. Wie man einem solchen Gerät eine derart rasante Grafik, die vermutlich selbst das Herz eines Hardcore-Gamers höher schlagen ließe, entlocken kann? Nun, das Geheimnis heißt Virtualisierung.
Für die virtuelle Stadtrundfahrt wurden zigtausende hochauflösende Fotos aufgenommen, die dann, je nachdem, in welche Richtung man gerade schaut, in Echtzeit ausgewählt und nahtlos aneinander gefügt werden. Das Ganze passiert nicht auf dem Rechner, an dem die VR-Brille angeschlossen ist, sondern auf einem Hochleistungs-Server, und nur die fertig errechneten Bilder werden an das Endgerät weitergeleitet. Bei einer schnellen Breitband-Verbindung kann der Server irgendwo in einer anderen Stadt oder gar einem anderen Land stehen – in der Praxis bedeutet das, ein Unternehmen braucht für anspruchsvolle Grafik-Aufgaben keine eigene Workstation mehr kaufen, sondern kann die erforderliche Computer-Leistung über ein Rechenzentrum anmieten. Nach dem selben Prinzip haben schon seit einiger Zeit auch kleinste Unternehmen die Möglichkeit, für sie ansonsten unerschwingliche IT-Anwendungen wie ERP oder CRM zu nutzen. Aber eine virtuelle Motorradfahrt macht mir als Normalverbraucher doch noch mehr Spaß als das blitzschnelle Herumwühlen in den Zahlenkolonnen einer mehrere Terabyte großen Datenbank, um etwa sämtliche Betriebsdaten einer Flugzeugturbine auf einem Transatlantikflug auszuwerten.
Auch bei der Präsentation des Handvenen-Scanners gelang Fujitsu eine geschickte Verknüpfung von sinnvoller Anwendung und Spaß: Das neue „ID Match Device“ verbindet die klassische Zugangskontrolle via Chipkarte mit modernster Biometrie. Dazu wird die Handfläche des Benutzers gescannt, wobei nicht die auch für das menschliche Auge sichtbaren Linien, sondern die unter der Haut verlaufenden Blutgefäße, die bei jedem Menschen ein ganz eigenes, unverwechselbares Muster bilden, zur Identifikation herangezogen werden. Diese Daten werden mit der Chipkarte verknüpft – wenn ein Benutzer nun seine Karte in das Lesegerät steckt, muss er danach noch seine Hand auf einen kleinen Scanner legen, um zu beweisen, dass es sich bei ihm auch tatsächlich um den rechtmäßigen Besitzer dieser Karte handelt. Erst dann wird die gewünschte Aktion eingeleitet – in der Praxis würde sich wahrscheinlich eine Tür öffnen, oder eine höchstvertrauliche Anwendung auf einem Arbeitsplatzrechner starten, auf dem Fujitsu Forum hingegen gab eine Kaffeemaschine an ordentlich registrierte Besucher während der Veranstaltung zwei Tassen Espresso ab, und man durfte sich an einem Lebensmittelautomaten mit einer kleinen Nascherei stärken, ohne Geld einwerfen zu müssen.
Weitere coole Innovationen aus dem Hause Fujitsu: Ein „haptisches“ Tablet, auf dem man mit dem Finger tatsächlich die Oberflächenstrukturen eines dargestellten Objekts zu spüren scheint – auf dem Fujitsu Forum konnte man ein im Sand vergrabenes Relief freilegen, auf einer Zither spielen, oder ein Krokodil streicheln -, und ein Bildschirm für Großraumbüros, an dessen Rand mit Hilfe einer farbigen Lampe angezeigt wird, ob der davor sitzende Mitarbeiter gerade ansprechbar ist, oder besser nicht gestört werden sollte…
http://www.fujitsu.com/global/microsites/fujitsu-forum-2014/